Dienstag, 26. Juni 2012

Schleudertrauma und Chiropraktik

Schleudertrauma, auch bekannt als Halswirbelsäulendistorsion oder Beschleunigungsverletzung.

Es handelt sich um eine Verletzung mit grosser Bandbreite nach Überbelastung im Bereich der Halswirbelsäule, z.B. beim Sport, bei Stürzen oder auch bei Verkehrsunfällen, wo besonders in Deutschland der Begriff Schleudertraum bunte Blüten im Interesse der Versicherungswirtschaft treibt, die bis zur Beeinflussung von Medizinern zur Erstellung von Gefälligkeitsgutachten reichte.

Seit 2003 beurteilen (nun endlich auch) deutsche Gerichte erstmals die i.d.R. zunächst (noch) nicht objektiv sichtbaren Verletzungsfolgen - aber von diesbezüglich kundigen (z.B. Manual-)Medizinern eindeutig zu diagnostizierenden Verletzungsbild - nach Verkehrsunfällen, i.d.R. nach Auffahrunfällen oder Seiten(!)aufprallunfällen, hier häufig in Form von Muskel-/Weichteilverletzungen als Untergrenze der möglichen Unfallfolgen.

Dank modernster sog. 'bildgebender' Untersuchungsverfahren (Magnetresonanztomogramm-MRT und hier besonders die Funktions-MRT , Computertomogramm-CT, EMG Muskeluntersuchungen etc) werden die Patienten erheblich durch Diagnostik mit objektivem Nachweischarakter unterstützt. Die (eindeutig von Versicherern gesteuerte) Mähr, das dies nur in vielen Industriestaaten mit ausgeprägtem Anspruchsdenken auffällig sei ist zwischenzeitlich auch widerlegt.

Bis dahin eines der traurigsten Kapitel (auch) in der Bundesrepublik.

Die Verletzungsfolgen reichen von einer sog. Distorsion (Stauchung der HWS-Halswirbelsäule) bis zur Querschnittlähmung oder gar dem sofortigen Tod. Unfallmechanismus (bei Fahrzeugen): Nach Anstoss durch auffahrendes oder seitlich aufprallendes Fahrzeug: Nach Anstoss/Aufschlag vergeht eine Weile zwischen Verformung der Knautschzonen, der Änderung der Bewegung des angestossenen Fahrzeuges und erst danach die Übertragung der Bewegung auf die Insassen, die ---danach wesentlich höher--- als die Geschwindigkeit der Fahrzeuge bzw. des Anstosses sein kann (vgl. Impulskraft o. Billardkugeleffekt!).

Vereinfacht ausgedrückt, wird die Wirbelsäule zuerst beim sog. Ramping (Aufsteigen des Oberkörpers an der Rückenlehne)langgestreckt. Der (zu Beginn der Bewegung der Insassen) noch in der Schwerkraft beharrenden schwere Kopf 'drückt' sodann nach unten dagegen. Gegen dieses mehrfache Eigengewicht des Kopfes werden so die Bandscheiben 'zusammendrückt=gestaucht'(=distorsion). Die so geschwächte Wirbelsäule wird zudem in der dann weiter einsetzenden Bewegung nach wenigen Millisekunden erheblicher weiterer Schädigungsgefahr ausgesetzt, da eine so gestreckte und gleichzeitig gestauchte Wirbelsäule (bei Fahrzeugunfällen)viel instabiler gegen Heck- oder Seitenanstöße ist.

Zum Verletzungsmechanismus beim Verkehrsunfall: Als überholt gilt die früher angenommene Theorie einer Streckung und – nachfolgend – Beugung der Wirbelsäule. Richtig ist, dass der Oberkörper der Insassen -im angestossenen- Fahrzeug vom Sicherheitsgurt zunächst zurückgehalten wird, während der 'freie' Kopf nach vorn schnellen will, dies findet jedoch nicht in einer früher angenommenen reinen Peitschenschlag-Bewegung (whiplash)statt, sondern in einer sog. Translation, d.h. horizontalen Scherbewegung mit höchstem Verletzungsrisiko für alle Strukturen der Hals-(HWS) und Brustwirbelsäule(BWS). (Bei Rennen der Formel 1 sieht man seit ein paar Monaten die schwarzen Aufsatzgestelle auf den Schultern der Fahrer, an denen der Helm mit Seilen (!) befestigt wird um die Fahrer zu schützen).

Das Rückenmark das wie ein Schlauch im Zentrum der Wirbelsäule in Flüssigkeit eingebettet ist, kann hierbei erheblichen Schaden durch Quetschung, Zerrung o.ä. nehmen; weitere Auswirkung auf das Gehirn selbst im Sinne einer sog. Boxerverletzung, d.h. Hirnprellung durch starken Anstoß (auch an die Kopfstütze!)ist die sog. milde traumatische Hirnschädigung (mild traumatic brain injury oder Hirnkontusion). Möglich sind auch Quetschungen von Spinalwurzeln sowie der Vertebralarterie, und des Halsmarkes.

Unfalluntersuchung Biomechanik: Die Diskussion um sog. Geschwindigkeitsänderungen (also der Differenz der Geschwindigkeit der Fahrzeuge vor und nach dem Zusammenstoss- delta-v-Diskussion)ist aus diesem Grunde überholt, da hieraus kein belastbarer Rückschluss auf die tatsächliche Bewegung des Insassen zulässig ist. Ebenso die sog. Harmlosigkeitsgrenze (10 Km/h), welche durch höchstrichterliche Rechtsprechung eliminiert wurde, weil Verletzungen auch bei viel geringeren Geschwindigkeiten nachgewiesen wurden.(siehe oben Billardkugeleffekt).

Sehr gefährdet ist auch der Bereich der Lendenwirbelsäule, der durch diese Streckung/Zerrung beim 'Ramping' erheblichem Verletzungsrisiko durch Zerreissungen an Nervenaustrittspunkten, Bandscheibenschäden (die sich zudem später häufig wie allg. Verschleisserscheinungen darstellen)u.a. ausgesetzt ist.

Leichtere Distorsionen bei Unfällen, z.B. leichte Muskelzerrungen, sollen (wenn diese denn wirklich die einzige Folge sind!)innerhalb weniger Monate abheilen, müssen es aber nicht. Weiterführende Info: Chronifizierung von Schmerzen, höchste Nervendichte in der Muskulatur der Halswirbelsäule, Nozizeptoren, neuronale Afferenzen etc.

Bei ca. 50000 schwereren Auffahrunfällen pro Jahr ein echtes Problem. Jedoch können Chiropraktiker gut unterstützend helfen. Nehmen sie es nicht auf die leichte Schulter!

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